Diakon Wypich über Hilfsfahrten für die Menschen in der Ukraine

Diakon Wypich ist bisher drei Mal mit den Hilfsgütern aus Wolfsburg an die polnisch-ukrainische Grenze nach Przemysl gefahren um sie dort Pastor Lavrentiev zu übergeben. Von seinen Eindrücken, Erlebnissen und Begegnungen berichtete er in den Gottesdiensten in Wolfsburg und er hat sich bereit erklärt, diese auch in einem Gespräch mit uns zu teilen.

Wir geben seine Aussagen ohne Unterbrechung und in seiner freien Form wieder, um sein Anliegen authentisch vermitteln zu können.

„Liebe Gemeinde,

wie Sie bestimmt schon gehört haben, war ich die letzten Tage mittlerweile schon drei Mal an der polnisch-ukrainischen Grenze und habe Hilfsgüter dorthin gebracht.
Viele von Ihnen und von Euch fragen mich immer öfter: Wie geht es unserem Pastor Lavrentiev? Hat jemand Kontakt mit ihm? Hat jemand mit ihm gesprochen? Hat ihn jemand gesehen? Und an dieser Stelle möchte ich Ihnen sagen: Ja, ich habe ihn gesehen, ich habe ihn getroffen und ich war sehr froh darüber. Ich kann Ihnen versichern: Zumindest bis heute geht es dem Pastor Lavrentiev gut. Er ist gesund. Er sieht gut aus. So wie Sie ihn das letzte Mal gesehen haben, so sieht er auch heute aus.
Und ich habe mich über alle aktuellen Corona-Verbote hinweggesetzt und den Saschka so begrüßt, wie ich ihn verabschiedet habe, als er aus Wolfsburg weg ist: Ich habe ihn umarmt, als ob es Corona nie gegeben hätte. Und es war ein sehr herzhaftes Treffen und Umarmen für die kurze Zeit, die ich ihn an der polnisch-ukrainischen Grenze getroffen und gesprochen habe.
Saschka ist Ihnen allen, liebe Gemeinde, für alles, was Sie bis jetzt getan haben und vielleicht noch tun werden, wirklich sehr, sehr dankbar. Und er hat mich gebeten, ihnen diese Dankesworte zu überbringen und so tue ich das auch hier und jetzt. Und ich möchte zum Ausdruck bringen, ob es Sachen sind oder Geldspenden: Er freut sich natürlich sehr darüber, weil er ja unheimlich viel leistet vor Ort, um den Menschen da zu helfen, die nicht die Möglichkeit haben, hinter die Grenze zu kommen, sondern das Ende dieses schrecklichen Krieges vor Ort abwarten.
Es sind wirklich unglaubliche Bilder, die sich da an der Grenze abspielen. Ich habe das eine Mal an der polnisch-ukrainischen Grenze in Przemysl die Möglichkeit gehabt, auch mit Flüchtlingen selbst zu sprechen, ich habe sie gesehen, ich habe die Situation vor Ort gesehen, ich war in dem Lager, wo sie sich befinden und wir haben sogar eine Familie aus diesem Lager rausgeholt und auf dem Rückweg nach Deutschland in Krakau zusammen mit Don Pietro abgesetzt. Wenn man sich mit den Menschen unterhält, was sehr schwierig ist, merkt man, wie traumatisiert die meisten sind. Die Kinder wirken auf einen sehr apathisch, sie weinen nicht mehr, sie klagen über nichts mehr und sie lassen alles über sich ergehen. Die Erwachsenen, die ich erlebt habe, waren fast alles weinende Menschen, egal ob alt oder jung, Mann oder Frau. Man hat sie Namen rufen hören, einer sucht den anderen, fragt nach den Hinterbliebenen: Wo sind sie? Sind sie schon hier? Oder noch nicht? Die Menschen selbst zu trösten ist kaum möglich.
Das Einzige, was ich aus den Gesprächen herausbekommen habe war, dass ihr Wunsch ist, nicht allzu weit hinter die ukrainisch-polnische Grenze zu fliehen. Sie wollen so nah wie möglich an ihrem zu Hause bleiben. Und sie sagen: Wir wollen nicht in Polen bleiben. Wir wollen nicht in Deutschland bleiben. Wir wollen zurück zu unseren Männern, zu unseren Vätern, zu unseren Söhnen.
Sie haben es bestimmt mitbekommen, dass über 90% der Flüchtlinge Frauen mit Kindern oder alte Menschen sind. Die Männer, die jungen Männer, die bleiben im Land und verteidigen es, mit allem, was ihnen zur Verfügung steht. Saschka selbst hat auch zu mir gesagt: Weißt du Peter, ich möchte im Moment auch nicht weg. Und ich kann das ganz gut verstehen. Weil ich glaube, ich hätte die gleiche Art und Weise zu handeln, wie er das tut. In einer Variante davon hätte ich mir Ähnliches vorgenommen, damit ich bei meinen Nächsten und meinen Lieben in der Nähe bleiben kann und nicht irgendwo das Weite suche. So habe ich seine Aussage verstanden, denn er hat auch noch andere, die er beschützt: Da ist das Waisenhaus, da sind die Menschen vor Ort, die Alten, um die er sich kümmert.
Und das Einzige, was er am Ende noch gesagt hat, bevor wir wieder auseinander gefahren sind nach gut zwei bis zweieinhalb Stunden – nachdem wir die Autos umgeladen haben mit den Waren und den Gütern, die wir gebracht haben – war: Wir leben hier in der Hoffnung. Hoffnung, dass dieser schreckliche Krieg bald ein Ende findet. Dass er einlenkt, der Diktator in Russland, dass er einsieht, dass dieser Krieg keinen Gewinner hervorbringen kann, nur Verlierer.
Und er bat mich, weiterhin für die Menschen vor Ort, für die Flüchtlinge und auch für ihn und seine Gemeinde zu beten, ihn im Gebet zu behalten, ihm im Gebet verbunden zu bleiben. Das ist ihm ein großes Anliegen. Das habe ich ihm versprochen und das möchte ich hier auch so zum Ausdruck bringen: Beten Sie weiterhin für den Frieden in der Ukraine und in der Welt. Saschka wird Ihnen bestimmt irgendwann – ich hoffe bald – selbst danken dürfen und können, wenn er wieder zurückkommt hier nach Wolfsburg.
Und ich, ich würde mich freuen, wenn ich ihn wiedersehen würde, auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick ist, aber doch sind diese Begegnungen, die man leibhaftig erlebt etwas ganz anderes als wenn man das über Videoübertragung oder über das Telefonieren erlebt. Das war mir ganz wichtig.
Ich habe die Zeit mit ihm, wie gesagt, genossen und ich kann Ihnen sagen, in seinen Worten: Vergelts Gott! Dankeschön für alles was sie bis jetzt für ihn und für die Menschen getan haben! Und beschließen möchte ich das, was ich Ihnen heute hier erzählt habe mit den Worten Jesu: Was ihr für einen dieser Geringsten da draußen getan habt, das habt ihr für mich getan. In diesem Sinne: Vergelts Gott und Dankeschön! Und einen lieben Gruß von Oleksandr Lavrentiev.“

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