Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wolfsburg

Aus einem Gespräch mit der Leiterin Francesca Cannella-Jung

Was ist eigentlich Beratung? Und was nicht? Welchen Ansatz verfolgt eigentlich die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wolfsburg? Und welche Angebote ergeben sich daraus? Viele Fragen, die Antworten finden in der großen Vorstellung der EFL Wolfsburg!

Die EFL – kurz erklärt

Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Wolfsburg ist Teil des pastoralen Angebots des Bistums Hildesheim. Dabei steht der Mensch mit seinen Sorgen, Nöten, Problemen und Krisen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Obwohl katholisch, ist das Angebot natürlich offen für alle, unabhängig von Herkunft, Konfession, Religion, Geschlecht oder weiteren Unterscheidungsmerkmalen. Es geht um das innere Befinden der Menschen, die eine Beratung suchen, nicht um Äußeres.

Beratung – Was ist das eigentlich?

Bei den inneren Dingen des Menschen knüpft diese Frage an. In Einzel-, Paar- oder Familienberatung werden die Klient*innen in allen krisenhaften Angelegenheiten unterstützt, die persönlich oder auch zwischenmenschlich auftreten können. Dabei greift das Beratungsteam der EFL auf tiefenpsychologische, systemische und kommunikationspsychologische Ansätze zurück, um eine „integrative Beratung“ anbieten zu können. Es geht immer zunächst darum, den Klienten oder die Klientin offen anzunehmen, ihnen unvoreingenommen, empathisch und wertschätzend zu begegnen, um so zunächst Hilfestellung geben zu können, die je eigene Situation besser zu verstehen. Anschließend wird gemeinsam mit den Ratsuchenden nach neuen Sichtweisen auf die eigene Lage, nach Lösungsmöglichkeiten und Ideen gesucht, um zu neuen Handlungsmöglichkeiten zu gelangen. Es geht dabei jedoch nicht um Ratschläge – die häufig mehr über die ratgebende Person aussagen als dass sie tatsächlich hilfreich wären – sondern um die Stärken und Ressourcen der Ratsuchenden und ihre Selbstwirksamkeit. Der Blick auf den Menschen ist also ganzheitlich: Sowohl das Umfeld, wie auch das Anliegen, der Mensch an sich und seine eigenen Bedarfe, Möglichkeiten und Potentiale fließen in die Beratung ein.

…und was ist sie nicht?

Beratung ist keine Therapie und auch kein Ersatz für eine Therapie. Sobald psychologische Störungen oder Krankheitswerte auftauchen, ist für die Beratung eine Grenze erreicht. Dann braucht es häufig eine psychologische oder psychiatrische Diagnostik und einen entsprechenden Therapieplan, sodass die Beratung an dieser Stelle ein Ende findet und an eine psychologische oder psychiatrische Praxis weiter verwiesen werden muss. Auf Grund der teils langen Wartezeiten für einen Termin in einer solchen Praxis stehen jedoch Überbrückungsangebote zur Verfügung, sodass niemand mit seinem Anliegen alleingelassen wird. Ebenso leistet die EFL keine Beratung in den Bereichen der Sucht-, Schwangerschaftskonflikt, Schuldner-, juristischen oder sozialen Beratung. Der Fokus liegt auf einer zeitweiligen Begleitung und Beratung in akuten Krisen- und Drucksituationen, in der Menschen Hilfe benötigen.

Wie komme ich zu einem Termin, wie läuft das ab und was muss ich bezahlen?

Termine bekommt man ganz einfach über drei Wege: Entweder man greift ganz klassisch zum Telefon und ruft an unter 05361-25325, per Mail an wolfsburg@efl-bistum-hildesheim.de oder per Kontaktanfrage über die Homepage der EFL www.efl-bistum-hildesheim.de/beratungsstelle/wolfsburg. Hier findet man auch einen Verweis auf das Angebot der Online-Beratung, die dann zentral über Hildesheim läuft. In Anschluss an die Kontaktaufnahme wird dann möglichst zeitnah ein Anmeldegespräch vereinbart, in dem es um die Themen der Ratsuchenden geht und darum, einen Auftrag an die Beratung zu finden, gewissermaßen ein Ziel, auf das in der Beratung hingearbeitet werden soll. Daraufhin steht den Klient*innen zunächst ein Kontigent von zehn Beratungsstunden zur Verfügung, das genutzt werden kann. Dabei unterscheidet sich natürlich von Fall zu Fall, wie viele Stunden tatsächlich benötigt und genutzt werden. Paarberatungen brauchen manchmal auch einige Stunden mehr, sodass auch eine Aufstockung auf bis zu 20 Stunden möglich ist. Das gesamte Angebot ist kostenfrei und wird durch das Bistum Hildesheim gedeckt. Wer seine Anerkennung für das Beratungsangebot ausdrücken will, kann aber durchaus eine freiwillige Spende tätigen.

Welche Themen kommen in der Beratung häufig vor?

Ein ganz klassisches Anliegen von Menschen ist die Bewältigung von Trauer, der Umgang mit Verlust und dem Abschiednehmen. Besonders letzteres beginnt nicht erst mit dem Tod eines geliebten Menschen, sondern meist schon davor. Dies zeigt sich beispielsweise im Verhältnis zu den eigenen Eltern, wenn diese sich durch Krankheit oder Alter verändern und nicht mehr dieselben Menschen sind wie in den Jahrzehnten zuvor. Dadurch verändert sich häufig das alte Eltern-Kind-Rollenverständnis hin zu einem anderen, das Überwindungs- und Anpassungsprozesse notwendig macht. Dabei kann Beratung ein sinnvolles Hilfsmittel sein. Generell zeigt sich, dass Rollenbilder und Rollenerwartungen einen großen Platz in der Beratung einnehmen. Das reicht von der neuen Rolle im Verhältnis zu den eigenen Eltern über die Rollenverteilung in Beziehungen und in Beziehungen mit Kindern bis hin zu Rollenbildern in Beruf und Karriere sowie den Wechselwirkungen zwischen diesen Sphären. Durch immer fluider werdende Rollenzuschreibungen und geringer werdende gesellschaftliche Festlegungen, aber auch durch praktische Hindernisse in der Organisation des Alltags ist dies ein wichtiger Bereich der alltäglichen Auseinandersetzung vieler Paare. Besonders Frauen sitzen hier häufig zwischen den Stühlen, da mit der Geburt von Kindern viele Paare in tradierte Rollenbilder zurückfallen und nach wie vor häufig die Frau zu Hause bleibt und anschließend in Teilzeit geht um die Versorgung des Kindes sicherzustellen. Hier ändert sich dann auch die Beziehung zum Partner/zur Partnerin häufig und es kommt zu Konflikten über die Rolle der jeweiligen Person in der Partnerschaft und Elternschaft. Hier kann eine Beratung hilfreich sein, die unbewusste Rollenprozesse aufzeigt und die Lösungsmöglichkeiten des Paares hervorholt und so Handlungsoptionen generieren kann. Dabei ist dies nur ein weiteres Beispiel für mögliche Beratung in Rollenkonflikten. Auch hier hat die Corona-Pandemie mit Lockdowns, Beschränkungen und Home-Office für Konflikte gesorgt, die eine neue Rollendefinition verlangen. Abseits dieses Themas gibt es einen breiten Strauß immer wiederkehrender Themen: Zum Beispiel die Frage nach dem Sinn des Lebens oder wie man eine innere Leere überwindet. Aber auch das Thema Schuld beschäftigt viele Menschen. Durch die Corona-Pandemie haben sich auch Isolation und Einsamkeit weiter ausgebreitet, sowohl bei jungen wie bei älteren Menschen. Über Ängste wird ebenso immer wieder gesprochen wie auch über depressive Verstimmungen. Auch das Scheitern von Beziehungen ist immer wieder Thema wie auch die Frage, wie man eigentlich sinnstiftende und erfüllende Beziehungen leben kann.

Der Stellenwert der EFL in Wolfsburg

Zu Beginn des Jahres 2021 wurde von Seiten des Bistums bekannt gegeben, dass aus bisher 18 Beratungsstellen nunmehr 6 Beratungszentren entstehen sollten. Nicht darunter: Wolfsburg. Ein unhaltbarer Umstand, wenn man bedenkt, dass gerade ein Jahr zuvor die Familienbildungsstätte in Helmstedt geschlossen und veräußert wurde und so in Zukunft im Dekanat kein solches Angebot mehr zur Verfügung stehen würde. Hinzu kam, dass die Corona-Pandemie nach wie vor andauerte und Beratung in Wolfsburg dringender gebraucht wurde als je zuvor, was sich auch in den Zahlen der EFL zeigte. Es formierte sich ein breites Bündnis aus Dechant, Superintendent, Oberbürgermeister und weiteren politischen, hauptamtlichen und ehrenamtlichen Akteur*innen, die mit ihrem Einsatz erreichten, dass ein Neubewertungsprozess in Hildesheim ausgelöst wurde und aus sechs Zentren sieben Zentren wurden, diesmal mit Wolfsburg.

Zum Schluss ein persönlicher Eindruck

„Ich brenne für Beratung.“ Das spürt man im gesamten Gespräch mit Frau Cannella-Jung. Die Religionspädagogin und frühere Gemeindereferentin leitet ihr Tun auch aus dem Evangelium ab: Im Lichte der Frohen Botschaft sei der Auftrag der Kirche der Dienst am Menschen; für den Menschen da zu sein, seine Sorgen, Nöte und Ängste zu teilen, schließlich voranzugehen und so eine Weite zu ermöglichen und zu entwickeln. Dieser Anspruch sei offen für Menschen aller Couleur und treffe keine Unterscheidungen und schaffe so den Raum für die Entwicklung der einzelnen Person. Den Ort dafür sieht die Leiterin der EFL für sich in der Beratungsarbeit, nah am Menschen und bei ihnen in Konflikten, Krisen und Fragen.

^ajp