Mut zu neuen Wegen

Ein Gespräch mit Thomas Hoffmann

Gemeinden leben von den Menschen, die vor Ort handeln und ihr Können und ihre Leidenschaft einbringen. In dieser Reihe möchten wir sowohl Haupt- wie auch Ehrenamtlichen eine Plattform geben und sie erzählen lassen, was sie bewegt, welche Projekte ihnen besonders am Herzen liegen und warum sie das tun, was sie tun.

In Teil 1 der Reihe kommt Thomas Hoffmann zu Wort, der Dechant des Dekanats. (5 Minuten Lesezeit)

Thomas Hoffmann sitzt in seinem Büro im geflochtenen Sessel und schaut erst zur Seite und dann nach oben; eine Bewegung, die man häufig beobachten kann, wenn er überlegt. Wenn er zu sprechen beginnt, reden seine Hände immer dann mit, wenn ihm etwas wirklich wichtig ist und er dies nochmal deutlich unterstreichen will. Das wird in diesem Gespräch häufiger vorkommen.

über Förster und Priester

Wir sprechen zunächst eher über Zwangloses und Thomas erzählt, dass er wohl Förster geworden wäre, wenn er nicht den Weg des Priesters eingeschlagen hätte. Die Verbundenheit zur Natur findet sich in vielen Aussagen wieder. Ob nun in der Ablehnung der Atomenergie, bei Schilderungen vom Wald oder bei seinem Hobby, dem Angeln – immer wieder und in unterschiedlichen Kontexten blitzt das Thema Natur auf. Wieso dann nicht Förster und stattdessen Priester? „Also es gab jetzt nicht so das eine Berufungserlebnis, da kam der Blitz vom Himmel und hat zu dir gesagt: Thomas, jetzt wirst du Priester“, sondern der Weg war länger, aber nicht weniger zielführend. Ein kirchliches Umfeld, das Freiheiten und Möglichkeiten gestattete, prägte seine Kindheit und Jugend und sorgte für den Entschluss, schließlich auch Theologie zu studieren und führte so letztlich auch zum Priesteramt. Das klingt vielleicht nicht so spektakulär wie manch andere Geschichte, die man gehört haben mag. Es ermöglicht aber vielleicht auch eine gewisse Erdung der eigenen Tätigkeit, ohne ausladende Gesten oder schmückende Schnörkel, einfach zum Punkt.

sexueller Missbrauch in der Kirche

Das zeigt sich auch an anderer Stelle als unsere Themen ernster werden. Wir sprechen über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und den Umgang mit ihnen. Thomas sind hier zwei Dinge besonders wichtig: Zum einen die Handhabung der Aufklärung der Fälle auf der großkirchlichen Ebene und zum anderen die konkrete Arbeit in der Prävention im gesamten Dekanat. Die Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich der Großkirche sei „vollkommen schlecht gelaufen und die nötige Transparenz und der nötige Einsatz, die Dinge schnell aufarbeiten zu lassen von unabhängigen Fachleuten, war einfach eine Katastrophe und da haben die Leute, die dafür verantwortlich sind, einfach viel zu wenig gemacht.“ Dies versperre in der öffentlichen Wahrnehmung dann leider auch häufig den Blick auf die konkrete Arbeit vor Ort, sodass diese zu selten wahrgenommen oder gewürdigt werde. Im letzten Jahrzehnt sei von den Leuten vor Ort in den Gemeinden und Einrichtungen ein sehr gutes Präventionssystem erarbeitet worden, das sogar von Externen angefragt werde. In den großen Strukturen im Bereich der Aufklärung unzureichend, im Kleinen jedoch in der Prävention durchaus erfolgreich und anerkannt, so könnte man das kurz zusammenfassen. Natürlich ist der Weg aber damit nicht zu Ende gegangen, sondern muss konsequent weiter beschritten werden.

Kirche der Zukunft?

Zur Zukunft der Kirche gehört auch ein anderes Thema, auf das wir nun zu sprechen kommen: Die schwindenden Mitgliederzahlen. Hängt die hohe Zahl an Kirchenaustritten auch mit dem vorherigen Thema zusammen, so sind die Gründe darüber hinaus jedoch deutlich vielfältiger. Fakt ist: Immer weniger Menschen kommen zur Kirche oder nehmen kirchliche Angebote wahr. Und so hält Thomas fest: „Wir werden kleiner, wir werden ärmer“, die Kirche, die wir noch vor 40 Jahren kannten, sei vorbei und wir erlebten jetzt das Ende der nächsten Phase. Eine trostlose Perspektive? Keineswegs: „Wir werden hoffentlich glaubwürdiger und überzeugter.“ Er vermute, dass die Menschen, die in 25 oder 50 Jahren noch zur Kirche gehen, dies aus einer großen inneren Überzeugung heraus tun werden. Diese sei heute zwar bei vielen auch vorhanden, aber in einigen Jahrzehnten werde sie deutlicher auffallen, da wir dann als Christ*innen deutlich in der Minderheit sein werden. Die Christ*innen, die es dann noch gebe, lebten dann symbolhaft aus ihrem Glauben heraus für andere in der Gesellschaft. Letztlich gehe es darum, jede Zeit so zu nehmen, wie sie sei und daraus das Potential für christliches Leben und Glauben zu entwickeln. Dazu gehört aus seiner Sicht auch, neue Dinge zu wagen, wie beispielsweise die patriarchale Hierarchie der katholischen Kirche zu beenden, Frauen zu Priesterinnen und Bischöfinnen zu weihen und – auch mit Blick auf die Missbrauchsfälle – die Sexualmoral der Kirche komplett neu aufzustellen.

katholische Citykirche in Wolfsburg?

Nach diesem eher allgemeinen Abriss schauen wir auf konkrete Möglichkeiten, Kirche vor Ort zu entwickeln und Thomas erzählt vom ka:punkt in Hannover, den er mit aufgebaut und viele Jahre geleitet hat. Als offene Einrichtung mitten in der Innenstadt von Hannover bietet der ka:punkt niedrigschwellige und einladende Angebote unserer Kirche und schafft es damit schon viele Jahre, eine neue Form von Kirche zu leben, die insbesondere im städtischen Raum ein hohes Potential hat. Damit ist die Idee also auch für Wolfsburg denkbar und eines der größeren Projekte, die Thomas vorschweben. Die Voraussetzungen sind ideal: Die Lage der St. Christophorus-Kirche in direkter Nähe der Innenstadt, der weite Platz vor der Kirche und der Caritas und die bereits bestehende Infrastruktur durch die Büros im Antonius-Holling-Weg. Eine offene, einladende und gastfreundliche Kirche für die Menschen in der Stadt, mit entsprechend passenden Gebäuden und einer Kultur gelebter religiöser Toleranz und Akzeptanz: „Das ist für mich eine Zukunftsmusik, an der ich schon lange arbeite.“

Und zum Schluss: Weihnachten!

Nach vielen ernsten Themen und Gedanken schauen wir zum Schluss noch auf etwas anderes: Auf die Frage, worauf er sich aktuell am meisten freue, lautet die schnelle und eindeutige Antwort: „Weihnachten.“ Warum? „Also erstmal die Vorbereitung, mit Weihnachtsmarkt und Baum und Krippe aufbauen, was ich sehr mag und liebe. Dann kommt am Heiligabend meine Familie und es gibt essen, ganz traditionell. Dann gibt es die Weihnachtsgottesdienste natürlich, die auch besonders schön sind. Und irgendwann gibt es dann die Ruhe danach, wo ich mich mal hinsetzen kann und einen Wein oder einen Whisky trinken kann. Also dieses Ganze: Die Vorfreude baut sich langsam auf durch dieses Sinnliche, auch mit dem Geschmack, weil es was Besonderes zu essen gibt oder die Süßigkeiten und zusammen mit den Gerüchen und Farben und den Klängen. Das ist eben etwas ganz Schönes für mich.“

^ajp